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STOLPERSTEINE verlegt
icon.crdate09.11.2023
Am 9. November 2023, 85 Jahre nachdem die Synagogen in Deutschland brannten, wurden in Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus die ersten STOLPERSTEINE im Zirndorfer Stadtgebiet durch Künstler Gunter Demnig verlegt.
Mahnmale für die Opfer des Nationalsozialismus
Am 9. November 2023, 85 Jahre nachdem die Synagogen in Deutschland brannten, wurden in Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus die ersten STOLPERSTEINE im Zirndorfer Stadtgebiet durch Künstler Gunter Demnig verlegt.
An fünf Stationen, nämlich vor dem letzten selbst gewählten Wohnort von zwölf jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus Zirndorf, verlegte Künstler Demnig Mitte November in einer bewegenden Zeremonie Gedenktafeln aus Messing, so genannte STOLPERSTEINE.
Zirndorfs Bürgermeister Thomas Zwingel begrüßte die zahlreichen Besucher, die die Verlegung der Stolpersteine begleiteten und erinnerte an die historische Verantwortung Deutschlands im Hinblick auf die Verbrechen während des Nationalsozialismus. „Jeder Stein steht für ein Schicksal und ist Symbol gelebter Erinnerungskultur“, so das Zirndorfer Stadtoberhaupt.
Während an den einzelnen Standorten Schülerinnen und Schüler der Mittelschule, die später auch die Pflege der STOLPERSTEINE übernehmen, Archivleiter Patrick Waag, Museumsleiterin Christine Lorber, Klaus Übler von der Geschichtswerkstatt Zirndorf e. V. und Kulturreferentin Elke Eder die Lebensdaten von zwölf jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus Zirndorf, die während der NS-Herrschaft verfolgt und ermordet wurden, verlasen, verlegte Künstler Gunter Demnig die knapp 10 mal 10 Zentimeter großen, quadratischen Messingsteine.
Der Zirndorfer Stadtrat hatte den Beschluss für die Verlegung der STOLPERSTEINE im September 2022 einstimmig gefasst. Die Verlegung weiterer Steine in Zirndorf ist bereits geplant.
Hier finden Sie eine Übersicht der Standorte. (PDF-Dokument, 1,10 MB)
Die Geschichten hinter den Steinen
Gartenstraße 1
- Hahn Heinrich 1871 - 1943
- Hahn, Mathilde, geborene Strauss 1886 - 1944
- Hahn, Babette 1923 - 1944
Der aus dem westlichen Mittelfranken stammende Heinrich Hahn wird am 9. September 1871 in Nenzenheim bei Scheinfeld geboren. Wie sein Vater Baruch Hahn ist er von Beruf Kaufmann. Wann er seinen Wohnsitz nach Zirndorf verlegt, ist nicht bekannt. Bevor er wie sein Bruder Jakob Hahn als Viehhändler tätig wird, verkauft er Schnittwaren. Darüberhinaus betätigt er sich als Vermittler von Grundstücken. Bei einer später erfolgten neuen Gewerbeanmeldung gibt er als Tätigekeit den „Handel mit Nutz-, Zucht- und Schlachtvieh sowie Pferden“ an. Hahn wohnt zunächst in der Fürther Straße, dann in der Nürnberger Straße und schließlich in der Gartenstraße. Seine große Leidenschaft gilt dem Kraftsport und so ist er Mitglied im „Athletiksportclub Bavaria Zirndorf“. Zudem ist er sehr gesellig und spendiert seinen Freunden stets ein Fass Bier zu seinem Geburtstag. Sie schalten dafür Danksagungen in der „Allgemeinen Rundschau“. Im August 1920 heiratet Heinrich Hahn in Zirndorf die am 29. Juli 1886 in Hirschaid geborene Mathilde Strauss. 1923 kommt Tochter Babette zur Welt. Für die Absolvierung einer Haushaltslehre im Antonienkinderheim der Israelitischen Jugendhilfe zieht sie im Mai 1937 nach München. Die Eltern folgen ihr im November 1938 in die bayerische Landeshauptstadt. Nach Abschluß der Ausbildung kehrt die Familie gemeinsam nach Fürth zurück. Hier darf Heinrich Hahn seinen Beruf nun nicht mehr ausüben. Zusammen mit anderen Deutschen jüdischen Glaubens erfolgt am 10. September 1942 die Deportation von Heinrich, Mathilde und Babette Hahn von Nürnberg aus in das Ghetto Theresienstadt. Heinrich Hahn wird dort 1943, seine Frau und seine Tochter 1944 in Auschwitz ermordet.
Fürther Straße 13
- Meinstein, Hermann Heinrich 1882 - 1942
- Meinstein, Hedwig,geborne Rieser 1890 - 1942
Hermann Meinstein kommt am 19. Juli 1882 in Zirndorf zur Welt. Damit er im Ort nicht mit einer älteren jüdischen Person gleichen Namens verwechselt wird, erhält er den Rufnahmen Heinrich. Wie sein Vater besitzt er eine Viehhandlung. Im September 1911 wird Heinrich Meinstein das Bürgerrecht verliehen. Drei Monate später, am 24. Dezember 1911, heiratet er in Neustadt/Aisch, die dort am 23. Februar 1890 geborene Rosa Dingfelder. Das Ehepaar wohnt bei den Eltern Heinrichs in der Fürther Straße 14. 1912 wird Sohn Ludwig, 1914 Tochter Sophia und 1916 Tochter Charlotte geboren. Zwei Jahre später infiziert sich Rosa Meinstein mit der spanischen Grippe und verstirbt am 7. Oktober 1918 im Alter von 28 Jahren. Ihre Beisetzung findet auf dem neuen israelitischen Friedhof in Fürth statt. Bereits nach einem Jahr, am 3. November 1919, heiratet Heinrich Hahn die am 10. Juli 1890 in Laupheim geborene Hedwig Rieser. Gemeinsam mit den drei Kindern ziehen sie in die Fürther Straße 13. Ab den 1920er Jahren betreibt Heinrich Meinstein den Viehhandel zusammen mit seinem Bruder Ferdinand. Im Jahr 1931 erfolgt ein Geschäft, das für seinen Sohn Ludwig nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Folgen haben wird: Heinrich Meinstein verkauft einem Schmied und Landwirt aus Burggrafenhof eine Kuh auf Kredit. Als dieser nicht alle Raten zahlt, verklagt ihn Meinstein und gewinnt den Rechtsstreit. Im April 1933 wird er dafür von Mitgliedern der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) in Schutzhaft genommen. Dank der Intervention von Tochter Sophia müssen sie ihn jedoch wieder freilassen. Daraufhin verschleppen sie Ludwig Meinstein und misshandelten ihn. Anschließend muss er ihnen zusichern, niemandem von dem Vorfall zu erzählen und Zirndorf sofort zu verlassen. Im Oktober 1938 meldet Heinrich Hahn sein Gewerbe im Zirndorfer Rathaus ab. Am Tag nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 bringt der Mietwagenbesitzer Rieß ihn und seine Frau zu Verwandten nach Laupheim. Ihre drei Kinder haben Zirndorf bereits einige Jahre zuvor verlassen. Sohn Ludwig arbeitet in Paris. Tochter Sophia heiratet Siegfried Metzger aus Berlichingen und zieht mit ihm 1930 ebenfalls dorthin. Tochter Charlotte folgt ihnen im Herbst 1933. Nach einer Razzia im Jahr 1942 wird sie in einem französischen Lager inhaftiert. Zusammen mit ihrer Cousine Thea Levi, geborene Meinstein, gelingt ihr die Flucht und mit Hilfe von gefälschten Ausweispapieren gelangt sie 1943 in die Schweiz. Das Ehepaar Meinstein stellt im Jahr 1938 einen Ausreiseantrag. Diesen lehnt die Stadtverwaltung jedoch ab, da Heinrich Meinstein angeblich noch Gemeindesteuern schuldig ist. Die Deportation der Eheleute erfolgt am 1. Dezember 1941 von Stuttgart aus nach Riga-Jungfernhof und in das Außenlager Ghetto Riga. Nach einem Beschluss des Amtsgerichtes Laupheim vom 6. März 1950 werden beide für tot erklärt. Als Zeitpunkt des Todes ist für Heinrich der 28. Februar 1942, für Hedwig der 26. März 1942 vermerkt.
Nürnberger Str. 2
- Kraus, Adolf 1870 - 1942
- Kraus, Rosalie, geborene Asch 1859 - 1943
Der Viehhändler Adolf Kraus wird am 15. Juli 1870 in Zirndorf geboren. Seine Eltern sind der Handelsmann Bernhard Kraus und Marie Kraus, geborene Feuchtwanger. Im Alter von 27 Jahren meldet Adolf Kraus ein eigenes Gewerbe an, das er im Jahr 1900 wie folgt präzisiert: „Viehhändler auf Bestellung und auf Märkten“. Hierfür beschäftigt er einen Gehilfen als Treiber. Zeitweise handelt er auch mit anderen Gütern. Im Jahre 1910 wird ihm unter der Bedingung, dass er regelmäßig seine Steuern bezahlt, das Bürgerrecht verliehen. Nun kann er bei den Gemeindewahlen mit abstimmen und auch in der Gemeindeversammlung mitentscheiden. Im Juni desselben Jahres heiratet er in Ansbach Rosalie Asch, die am 6. Juni 1859 in Cronheim bei Gunzenhausen geboren wird. Ihr Vater betreibt eine Landwirtschaft. Ob das Ehepaar Kraus Kinder hatte, ist nicht bekannt. Im Jahre 1912 ziehen sie von der Burgfarrnbacher Straße in die Nürnberger Straße 2. Nachdem Ferdinand Meinstein aus Altersgründen als Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Zirndorf zurücktritt, wird Adolf Kraus im März 1916 in dieses Amt gewählt. Die Wahl leitet der Regierungsrat Freiherr von Eyb vom Bezirksamt Fürth. In den 1920er Jahren betreibt Kraus zusammen mit Jakob Hahn den „Handel mit Nutz-, Zucht- und Schlachtvieh sowie Pferden“. Als die Situation für jüdischen Einwohner Zirndorfs immer schwieriger wird, fliehen Adolf und Rosalie Kraus eine Woche vor dem Novemberpogrom im Jahr 1938 zu Bekannten nach Nürnberg. Adolf Kraus ist zuvor von Unbekannten schriftlich aufgefordert worden, die Stadt binnen 24 Stunden zu verlassen, da sein Leben in Gefahr sei. Sein Knecht und Viehtreiber erinnert sich später, dass der Zettel mit der Aufforderung die Unterschrift „Schwarze Hand“ trug. Im August 1942 stellt das Polizeipräsidium Nürnberg-Fürth Adolf Kraus eine neue Kennkarte aus, die das Zeichen „J“ für Jude und den zweite Vornamen Israel enthält. Zwei Monate später erhält der Zirndorfer Bürgermeister und Leiter der Ortsgruppe der NSDAP Julius Eichner die Mitteilung, dass das Ehepaar Kraus am 10. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt im Protektorat Böhmen und Mähren deportiert worden sei. Dort stirbt Adolf Kraus am 27. November 1942, seine Ehefrau Rosalie wenige Wochen später am 9. Januar 1943.
Nürnberger Str. 9
- Kraus, Ferdinand 1863 - 1942
- Kraus, Emilie, geborene Schäfer 1874 - 1944
Ferdinand Kraus wird am 9. Februar 1863 in Zirndorf geboren. Seine Ehefrau Emilie Schäfer am 28. Mai 1874 in Hainsfarth. Die Hochzeit findet im August 1896 in Eyb statt. Das Ehepaar hat zwei Kinder: Max, geboren 1897, und Frieda, geboren 1908. Da Ferdinand Kraus das Bürgerrecht in Zirndorf verliehen wird und ist er offenbar ein guter Steuerzahler. Geschäftlich handelt er mit Nutz-, Zucht- und Schlachttieren sowie mit „schwerem Stalldünger“ und Speisekartoffeln. Der Handelsmann wird im Februar 1921 als Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde Zirndorf in den Ausschuss für Kinderhilfe berufen. Im Mai desselben Jahres wird Sohn Max in der Nähe von Ansbacher, wo er mit Häuten und Fellen handelt, von einem anderen Fellhändler ermordet. Der Täter kann von der Polizei festgenommen werden und wird zum Tode verurteilt. Die Beerdigung von Max Kraus findet auf dem neuen jüdischen Friedhof in Fürth statt. Anfang der 1930er Jahre verkauft Ferdinand Kraus das Anwesen in der Nürnberger Straße 9 an den Buchdruckereibesitzer Johann Bollmann. Den Viehhandel betreibt er jedoch weiterhin zusammen mit Adolf Kraus und Jakob Hahn. Tochter Frieda heiratet im Juni 1930 den Nürnberger Kaufmann Arthur Eben. Die Eltern ziehen im November 1938 ebenfalls in der Nachbarstadt. Ferdinand Krauß erhält im April 1939 vom Polizeipräsidium Nürnberg-Fürth eine neue Kennkarte mit dem zweiten Vornamen Israel und dem Zeichen „J“ für Jude. Am 10. September 1942 erfolgt die Deportation von Emilie und Ferdinand Kraus von Nürnberg in das Ghetto nach Theresienstadt. Dort verstirbt Ferdinand wenige Tage später, am 28. September. Emilie Kraus wird Mitte Mai 1944 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und stirbt dort wahrscheinlich am 27. Mai 1944.
Bachstraße 18
- Weinstein, Siegfried 1885 - 1943
- Weinstein, Lina, geborene Steinberger 1891 - 1943
- Weinstein, Herta Adelheid 1919 - 1943
Siegfried Weinstein kommt am 2. Oktober 1885 in Zirndorf zur Welt. Zunächst arbeitet er im Viehhandel seines Vaters und übernimmt diesen nach dessen Tod. Zeitweise ist er zudem Teilhaber an einem Güterhandel. Vom Zirndorfer Gemeindeausschuss erhält er im November 1911 das Bürgerrecht. Im Dezember 1913 heiratet er in Ansbach Lina Steinberger, die am 18. April 1891 in Colmberg geboren wird. Das Ehepaar bewohnt das Haus in der Bachstraße 18, das Siegfried von seinem Vater geerbt hat. Von 1915 bis 1918 kämpft er als Soldat im Ersten Weltkrieg. Im Mai 1919 wird Tochter Herta Adelheid geboren, im Dezember 1922 Sohn Robert Jakob. In den 1920er Jahren verstärkt Siegfried Weinstein seine Aktivitäten als Viehhändler. Durch Anzeigen in der „Allgemeinen Rundschau“ gibt er regelmäßig die Ankunft neuer Tiere bekannt. Anfang Januar 1938 kommt es zu in der Fürther Straße zu einem Zwischenfall, den zwei Jungvolkführer der Hitlerjugend sofort bei der Schutzpolizei im Zirndorfer Rathaus melden: Nach ihrer Ansicht sind sie und die begleitenden BdM-Mädchen von Siegried Weinstein fotografiert worden. Daraufhin verständigt die Zirndorfer Polizei sofort die Geheime Staatspolizei in Nürnberg, da vermutet wird, „dass fragliche Bilder zu staatsfeindlichen Zwecken Verwendung finden könnten“. Ein Beamter der Gestapo kommt umgehend nach Zirndorf um der Sache nachzugehen. Es stellt sich heraus, dass Lina und Siegfried Weinstein am fraglichen Abend bei einem Spaziergang kurz in der Fürther Straße vor dem Haus Nr. 19 stehen geblieben waren, um sich den beleuchteten Weihnachtsbaum im ersten Stock anzusehen. Die dortigen Mieter hatten im selben Moment ihren Besuch mit Blitzlicht fotografiert, was sie der Polizei bestätigen. Nach dieser Klärung „wurde das Ehepaar Weinstein auf freien Fuss gesetzt“. Im November 1938 zieht die Familie nach Fürth. Da Siegfried Weinstein zu dieser Zeit zweiter Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Zirndorf ist, muss er zusammen mit dem ersten Vorsitzenden Fritz Krämer, den erzwungenen Vertrag über den Verkauf der Synagoge an die Stadt Zirndorf unterschreiben. Tochter Herta plant im folgenden Jahr zu emigrieren. Im November 1939 kommt jedoch die Mitteilung, dass die Ausreise „z. Zt. nicht möglich ist“, da noch Unterlagen fehlen würden. Nur Sohn Robert Jakob gelingt im August 1939 die Flucht nach Österreich und später nach Palästina. Am 29. November 1941 erfolgt die Deportation von Siegfried, Lina und Herta Meinstein von Nürnberg nach Riga-Jungfernhof in das Außenlager Riga Ghetto. Für Lina und Siegfried Weinstein ist als Todesdatum Oktober 1943 festgehalten. Für Tochter Lina erfolgt die Todeserklärung später ebenfalls zum Jahre 1943.